Castlevania

Castlevania

Im Jahr 1691 erwacht Dracula erneut aus seinem Schlaf und bringt sein eigenes Teufelsschloss gleich mit. Zum ersten Mal lässt einen das 1988 bei uns für NES erschienene Castlevania in den Kampf gegen den Obervampir ziehen. Etwa zwanzig Jahre später entdeckte ich das Modul für fünf Euro auf einem Flohmarkt und griff zu. Bis dahin war Symphony of the Night der einzige Teil der Reihe, den ich ausgiebig gespielt hatte. Nach dem Titelbildschirm zeigt einem Castlevania den Helden Simon Belmont, wie er vor den Toren von Draculas Festung steht. Acht Sekunden später ist man im Spiel.

Zum Ursprung einer Serie zurückzugehen ist oft eine spannende Angelegenheit. Wie viele Eigenschaften und Qualitäten späterer Spiele finden sich bereits im ersten wieder? Bei Castlevania hat es mich ziemlich verblüfft, dass irgendwie von Anfang an alles da war: Das kurze Stück vor dem Schlosseingang, die Eingangshalle mit den hohen Fenstern und ständig nachrückenden Zombies, das unterirdische Wassersegment mit den hochspringenden Fischmenschen, der Uhrenturm und die Treppe, die zu Draculas Saal führen sind alles Stationen, die sich in späteren Inkarnationen wiederfinden. Natürlich sind auch die liebgewonnenen Spießgesellen bereits am Start: Skelette, die mit Knochen werfen, Ritter, die Äxte durch die Gegend schleudern, und die herumfliegenden Medusenköpfe, dank denen jeder mit noch so einer großen Abneigung gegen Mathematik weiß, was eine Sinuskurve ist.

Auf dem Weg ins Teufelsschloss

Auf dem Weg ins Teufelsschloss

Trotz der beschränkten 8-Bit Hardware des NES schafft es bereits das erste Castlevania, die Reise durch das namensgebende Teufelsschloss stimmungsvoll zu inszenieren. Vor allem Details im Hintergrund wie moosbewachsene Statuen, von Efeu überwucherte Mauern und Spinnweben sorgen dafür, dass trotz grober Pixelgrafik eine schaurig schöne Atmosphäre aufkommt. Es ist auf jeden Fall beeindruckend, was man damals mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erreicht hat. Lediglich Protagonist Simon Belmont hat grafisch das Nachsehen und muss mit wenigen Braunschattierungen auskommen. Wobei selbst dieser den technischen Beschränkungen der Zeit geschuldete Umstand irgendwie kultig ist. Nicht umsonst wurden die vier Charaktere in der modernen Retro Hommage Bloodstained: Curse of the Moon in ihrem Aussehen auf jeweils eine Farbe beschränkt. Ein weiteres Markenzeichen der Serie ist hier ebenfalls schon präsent: Eingängige Hintergrundmusik, die sich auch von den wenigen verfügbaren Kanälen eines NES-Soundchips nicht davon aushalten lässt, großartig zu klingen.

Wenn wir ein Jahrzehnt vor die Entstehung des Metroidvania Genres durch Symphony of the Night zurückreisen, ist das Gameplay natürlich ein anderes. Bei dem späteren Fokus auf nicht-lineare Erkundung und Rollenspielelemente kann man schon fast vergessen, dass der erste Teil der Reihe ein bockschwerer Action Plattformer war. Als Spieler ist man entsprechend weniger besorgt darum, herauszufinden, wo es jetzt lang geht, sondern wie man irgendwie lebend ans Ziel gelangt. Der gute Simon Belmont kann nur geradeaus peitschen, muss die Richtung bereits vor einem Sprung festlegen, da dies nachträglich nicht mehr möglich ist, und wird bei jedem Treffer nach hinten geworfen, oft in freudiger Erwartung des nächsten bodenlosen Abgrunds. Überflüssig zu erwähnen, dass die Level und das Verhalten der Gegner darauf zugeschnitten sind, Simons Unzulänglichkeiten bestmöglichst zu seinem Nachteil auszunutzen.

Vielleicht sollte jemand mal die Fenster zum Lüften öffnen

Vielleicht sollte jemand mal die Fenster zum Lüften öffnen

Einziger Lichtblick sind die verschiedenen Sekundärwaffen, die manchmal von zerstörten Kerzen oder Gegnern hinterlassen werden, und durch Einsatz ebenfalls sammelbarer Herzen abgefeuert werden können. Die gleichen das eingeschränkte Steuerungsschema aus und machen es leichter, ungünstig positionierte Gegner zu treffen. Da gibt es zum Beispiel Messer, die zwar recht schwach sind, aber eine größere Reichweite haben als die Peitsche, Äxte, die man im hohen Bogen werfen kann, oder Uhren, die für ein paar Sekunden die Zeit anhalten. Simon kann immer nur eine Sekundärwaffe gleichzeitig halten, entsprechend muss man sich entscheiden, welche Waffe man behält. Eine Wahl mit taktischem Gewicht, schließlich sind manche Passagen, Gegner oder Bosse mit dem passenden Werkzeug wesentlich einfacher zu überwinden. Das System bietet auch die Möglichkeit, das Spiel zu brechen: Sekundärwaffen können mit Powerups zwei mal verbessert werden, womit man sie öfter hintereinander auslösen kann. Bekommt man das Weihwasser, das Gegner und selbst Bosse nicht nur schädigt, sondern auch kurz betäubt, maximal aufgestuft, hat das nokturne Gesocks im Grunde genommen keine Chance mehr.

Allerdings muss man das auch erst mal schaffen. Bei jedem Ableben verliert Simon auch seine aktuelle Sekundärwaffe. Und seien wir ehrlich: Er wird sterben. Immer und immer wieder, bis ihr irgendwann keinen Bock mehr habt. Die erste Hälfte ist mit Übung noch ganz gut zu bewältigen. Spätestens ab der Begegnung mit dem heftigen Doppelboss Igor und Frankensteins Monster zieht der Schwierigkeitsgrad steil an. Die Gegner ziehen Simon immer mehr seiner Lebensenergie ab, bis man in den höheren Levels nach vier Treffern bereits das Zeitliche segnet. Die nächste Spitze ist der Tod, der schwerste Boss im gesamten Spiel, für den man vorher einen der schlimmsten Korridore der Videospielgeschichte durchqueren muss. Am Ende erwartet einen Graf Dracula persönlich. Der hat zwar sein inzwischen bekanntes einprägsames Bewegungsmuster, aber bis man das Timing richtig raus hat braucht man fast nochmal genauso lang wie man dafür gebraucht hat, überhaupt zu ihm hinzukommen. Immerhin bietet das Spiel unbegrenzte Continues, sodass man bei wiederholtem Scheitern zumindest nicht ganz an den Anfang zurückgeworfen wird.

Der Keller steht unter Wasser!

Der Keller steht unter Wasser!

Tatsächlich ist es mir irgendwann gelungen, Castlevania durchzuspielen. Sehr lange ging es bei Igor und Frankensteins Monster nie weiter für mich, bis ich die beiden doch ab und zu überwinden konnte. Der nächste Stopper waren Tod und der verdammte Flur, der zu ihm führt. Als ich das erste Mal zu Dracula gelangte, war es nach Mitternacht. Ich hab bestimmt bis 2 Uhr nachts versucht, ihn zu besiegen, ohne Erfolg. Inzwischen vermute ich, dass es einfach daran lag, dass es tief in der Nacht war, wo die Mächte des Bösen am stärksten sind. Ein anderes Mal warf ich das Spiel ohne großartige Erwartungen an und saß einige Zeit später verblüfft vor dem Abspann. Auch wenn ich stolz darauf bin, es geschafft zu haben, und die späteren Spitzen des Schwierigkeitsgrades irgendwie auch zum Spielerlebnis dazugehören, müssen sie doch als Kritikpunkte bestehen bleiben. Es gibt einfach einen Unterschied zwischen einer großen Herausforderung und schlichter Unfairness. Bis heute habe ich kein Patentrezept gegen die Sollbruchstellen Igor/Frankenstein, Tod und Dracula gefunden. Wenn ich sie doch mal schaffe, dann oft nur, weil ich Sekundärwaffen ausnutze oder viel Glück habe.

Wenn man nur weiterkommt, weil die korrekte Sternenkonstellation besteht, fühlt sich das nicht so an, als hätte man den Erfolg dem eigenen Können zu verdanken. Natürlich gibt es auch Leute, die es schaffen, Tod nur mit der Standardpeitsche zu besiegen. Als Normalsterblicher sollte man lieber zu einer Version greifen, in denen man Savestates ausnutzen kann. Oder die japanische Originalversion Vampire Killer spielen, die mittlerweile auch bei der für moderne Systeme erschienenen Castlevania Anniversary Collection dabei ist. Die hat tatsächlich einen Easy Modus, bei dem man nicht nur mit mehr Leben startet, sondern bei Treffern nicht nach hinten geworfen wird, und selbst nach dem Ableben die letzte Sekundärwaffe (samt Aufstufung!) behalten darf. Schade, dass diese Option bei westlichen Fassungen gestrichen wurde. Natürlich fällt die Herausforderung dabei unter den Tisch, aber immerhin ermöglicht sie mehr Menschen, das komplette Spiel zu sehen.

Das Gemäuer und die Statuen werden bereits von Pflanzen überwuchert

Das Gemäuer und die Statuen werden bereits von Pflanzen überwuchert

Obwohl ich Castlevania erst zwei Dekaden nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung gespielt habe, zählt es bis heute zu meinen Lieblingstiteln. Darüber hinaus stellt das Spiel auch einen der besten Einstände etablierter Reihen dar. Alles, was ich an der Castlevania Reihe liebe, ist hier bereits in guter Qualität vorhanden: Detailverliebte Pixelarbeit, eingängige Musik, düstere Atmosphäre und die japanische Darstellung westlicher Gothic- und Horrorelemente. Der hohe Schwierigkeitsgrad ist in gewisser Weise kultig, doch die absurd kniffligen und unfairen späteren Passagen und Bosse sind auch für geübte Spiele auf Dauer einfach nur frustrierend. Selbst für einen Fan wie mich, der bei seinem aktuellen Durchgang in der Castlevania Anniversary Collection ums Verrecken nicht mehr beim Tod Boss weiterkommt.