Final Fantasy VII Remake

Final Fantasy VII Remake

Am 10. April war es endlich soweit: Der erste Teil des Final Fantasy VII Remakes erschien endlich für die PlayStation 4. Ein Moment, dem alle Final Fantasy VII Fans weltweit sehnsüchtig entgegengefiebert hatten.

Alle, bis auf mich.

Ich habe nie nach einem Remake gerufen. Final Fantasy VII ist eins meiner Lieblingsspiele, das ich dutzende Male im Original durchgespielt habe, und das in dieser Form immer noch gut für mich funktioniert. Wenn überhaupt, hätte ich mir ein Remake in dem Format gewünscht, wie es auch von Dragon Quest VII für den 3DS gemacht worden ist: Die schon damals hässliche PlayStation 1 Optik wurde durch eine ansehnlichere Low Poly Grafik ersetzt, Zufallskämpfe durch sichtbare Gegner ausgetauscht, und das Skript neu übersetzt. Handlung, Gameplay und Perspektive sind dabei im Kern intakt geblieben, sodass sich im Remake die originale Spielerfahrung noch gut nachempfinden lässt.

Aerith ist natürlich auch im Remake wieder am Start.

Aerith ist natürlich auch im Remake wieder am Start.

Aber für Final Fantasy VII wäre das Square Enix und vermutlich auch vielen Fans nicht genug gewesen. Stattdessen wird das Spiel als aufwändige AAA-Produktion neu aufgelegt, die anscheinend so teuer ist, dass das Remake auf mehrere Episoden aufgeteilt wird. Das Unterfangen hat nicht nur aus Konsumentensicht einen bitteren Beigeschmack. Aus kreativer Perspektive wirkt es wie das Eingeständnis, keine neuen Ideen mehr für die Final Fantasy Reihe parat zu haben. 2012 wurde sogar von Square Enix die Aussage getätigt, dass ein Final Fantasy VII Remake erst in Frage kommt, nachdem das Original von einem neueren Final Fantasy Spiel übertroffen worden ist.

Aus meiner Sicht hat allerdings kein neueres Final Fantasy Teil VII übertroffen, erst Recht nicht die durchwachsenen Singleplayer Einträge Final Fantasy XIII oder XV. Dass ausgerechnet Schlüsselpersonen dieser beiden Spiele nun auch beim Remake von VII an Bord waren, hat bei mir im Vorfeld nicht unbedingt für Freudensprünge gesorgt. Ebensowenig die Information, dass der ursprünglich nur eine Handvoll Stunden umfassende anfängliche Handlungsstrang in Midgar auf 30 Stunden erweitert wurde, plus zehn Stunden optionale Nebenaufgaben. Das klang nach unnötiger Streckung, nicht nur der Midgar Episode, sondern des gesamten mehrteiligen Projekts.

Eine ikonische Szene in neuem Gewand.

Eine ikonische Szene in neuem Gewand.

Der Umstand, dass Final Fantasy VII Remake eigentlich nur der erste Teil des Remakes ist und die Handlung nicht abschließt, ist kein Geheimnis. Trotzdem ist es mir unangenehm aufgefallen, dass diese Information durchgehend in zweiter Reihe aufgeführt wird: Als Anmerkung hinten auf der Packung und in den Detailbeschreibungen auf Online Produktseiten. Doch das Spiel selbst heißt “Final Fantasy VII Remake”, auf dem Front-Cover steht nichts von mehreren Teilen, im finalen Spieltrailer selbst wird es auch nicht erwähnt. Die Aussage “das Final Fantasy VII Remake ist draußen!” ist aus Marketingsicht natürlich anziehender, als zu sagen: “Zahlt 70 Euro, um ein Achtel des geplanten Remakes zu erwerben”. Fair fand ich die ganze Aktion aber trotzdem nicht.

Weniger kritisch sah ich hingegen den geplanten Abweichungen gegenüber dem Original entgegen: Das Kampfsystem sollte actionbasierter gestaltet, die Handlung nicht nur ergänzt, sondern auch verändert werden. Da ich das Original in- und auswendig kenne, hätte mich nichts mehr gelangweilt, als exakt das gleiche Gameplay und genau die gleiche Geschichte zum xten Mal zu erleben, nur mit besserer Grafik. Das Gefühl, am Ende des Tages eigentlich nur ein Replay eines mir bekannten Klassikers abzuarbeiten, hatte ich bereits in Remakes wie The Legend of Zelda: Link’s Awakening oder MediEvil, die sich weitestgehend treu an die Vorlage halten. Natürlich war ich dennoch skeptisch, ob die Neuerungen auch gut umgesetzt werden. In der Hinsicht hatte Square Enix bei mir nicht unbedingt einen Vertrauensvorschuss.

Der Wachskorpion hat seit dem Originalspiel einige Upgrades bekommen.

Der Wachskorpion hat seit dem Originalspiel einige Upgrades bekommen.

Trotz aller Zweifel bewog mich am Ende doch noch eines zum Kauf des Remakes: Die Aussicht, die große Liebe aus meinen Jugendtagen in voller HD-Pracht wiederzusehen.

Die Rede ist natürlich von Midgar.

Die riesige dystopische Stadt stellt für mich eins der Alleinstellungsmerkmale von Final Fantasy VII dar. Nicht allen Fans gefiel es, am Anfang mehrere Stunden in einer modernen Stadt gefangen zu sein und einer durchgescripteten Handlung zu folgen. Aber ich habe den dicht inszenierten Ritt durch Midgar immer genossen, weil es mal eine andere Erfahrung war, als einem losen Faden folgend von Ort zu Ort zu ziehen, wie sie die meisten japanischen Rollenspiele und später auch Final Fantasy VII bieten. Nachdem ich in einem Interview gelesen hatte, wie die Stadt Midgar neu erfunden und aufgebaut wurde, bekam ich das Gefühl, dass die Entwickler einen ähnlichen Enthusiasmus für die Megametropole pflegen wie ich. Es war jedenfalls klar, dass ich diese neue Version von Midgar einfach mit eigenen Augen sehen und erleben musste.

Home Sweet Home: Die verdreckten Slums von Sektor 7.

Home Sweet Home: Die verdreckten Slums von Sektor 7.

Obwohl ich zunächst so absolut keinen Bock auf das Final Fantasy VII Remake hatte, gefiel mir das Spiel bald so gut, wie ich es selbst in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet hätte. Die Charaktere, jetzt in detaillierter HD-Grafik und komplett deutscher (gelungener!) Synchronisation, wurden fabelhaft getroffen und ausgebaut. Die ganzen merkwürdigen und dramatischen Momente, die das Original auszeichneten, haben die Transition durch den drastischen technischen Wandel unbeschadet überstanden. Auf der einen Seite ist das Remake so gänzlich anders als das Quellmaterial, und schafft es auf der anderen Seite doch immer wieder, Altbekanntes in größerer Pracht, aus einem anderen Winkel oder als gelungene Hommage zu präsentieren.

Ich hatte jedenfalls meinen Spaß daran, diese XXL-Version von Midgar zu erkunden. Bei aller Liebe zu vorgerenderten Hintergründen und Klötzchenfiguren tat es auch mal gut, das Geschehen in konsistenter, realistischer und hochauflösender Optik zu erleben. Lediglich spät nachladende Texturen trüben manchmal den Eindruck, eine leider bekannte Limitierung der Unreal Engine 4. Trotzdem bin ich ganz froh darüber, dass Square Enix für dieses Projekte auf eine bestehende Engine gesetzt hat, statt erneut das Rad erfinden zu wollen und damit wieder ein Final Fantasy in die Entwicklungshölle zu schicken.

Das Remake enthält zahlreiche Neuerungen, wie zum Beispiel diese Katze.

Das Remake enthält zahlreiche Neuerungen, wie zum Beispiel diese Katze.

Moment, spulen wir aber noch einmal zurück: Spaß? In einem JRPG? Im Jahr 2020? Wie kann das sein? Ich habe in meinem Leben so viele japanische Rollenspiele gespielt, dass ich die repetitiven, anspruchslosen Menükämpfe, die leider so typisch für das Genre sind, langsam nicht mehr ertragen kann. Die waren im Original Final Fantasy VII auch nicht besser. Den neuen Ansatz im Remake empfand ich als viel spannender. Wie in einem Actionspiel wird eine Figur gesteuert, die auf Knopfdruck angreift, ausweicht oder blockt. Währenddessen füllt sich eine Leiste, die weitere Aktionen wie die Verwendung eines Gegenstands oder den Einsatz eines Zauberspruchs ermöglicht.

Um erfolgreich zu sein, muss sowohl Geschick als auch Taktik gezeigt werden. Auf dem regulären Schwierigkeitsgrad sind die Kämpfe schön knackig ausbalanciert. Statt also im Halbschlaf die X-Taste gedrückt zu halten, ist bei jeder Konfrontation Wachsamkeit angesagt. Dazu kommt noch ein Umstand, bei dem Horter jetzt ganz stark sein müssen: Gegenstände müssen im Final Fantasy VII Remake tatsächlich regelmäßig verwendet und aufgestockt werden!

Auf Cringe muss bei Final Fantasy VII auch 2020 nicht verzichtet werden.

Auf Cringe muss bei Final Fantasy VII auch 2020 nicht verzichtet werden.

Außerhalb der Kämpfe werden Siedlungen besucht und weitestgehend lineare Gebiete in Midgar erkundet. Ähnlich wie in modernen AAA-Spielen wie etwa The Last of Us müssen zum Weiterkommen simple “Rätsel” gelöst und zigtausende Leitern erklommen und Planken entlangbalanciert werden. Ich persönlich mag diese Art von sagen wir mal “entspanntem” Gameplay auch ganz gerne, und im Kern verlief das Originalspiel zumindest in Midgar auch nicht großartig anders.

Die Kampagne wurde im Remake stark erweitert und ausgebaut. Einige zusätzliche Passagen geben neue Einblicke, etwa in die Hintergründe der anderen Avalanche-Mitglieder. Altbekannte Stationen sind nun wesentlich umfangreicher. Aber als unnötige Streckung habe ich das nicht empfunden. Vielmehr war es für mich wie eine Art Zelebrierung des ursprünglichen Verlaufs. Wo ein Szenario von früher mit dem Rennen durch fünf vorgerenderte Bildschirme und einem langweiligen Menu-Bosskampf abgehakt war, bietet das Remake längere Missionen mit Zwischenstationen samt Buildup zu einem spektakulären mehrphasigen Bosskampf, die sich trotzdem kürzer anfühlen als ein Dungeon in The Legend of Zelda: Twilight Princess.

Der Mythos ‘Mensch gegen Helikopter’ lebt fort.

Der Mythos ‘Mensch gegen Helikopter’ lebt fort.

Zu lang war mir das Final Fantasy VII Remake also nicht, ich konnte tatsächlich gar nicht genug davon bekommen. Selbst die zehn Stunden an Nebenmissionen habe ich entgegen meiner ursprünglichen Intention mitgemacht. Ich wollte einfach nicht, dass es schon aufhört. Zum einen, weil ich wirklich unerwartet viel Freude am Remake hatte. Zum anderen, weil ich dem Damoklesschwert entgehen wollte, das über der ganzen Erfahrung hing: Dem umstrittenen Ende, über das online bereits hitzige Debatten entfacht waren. Das Ende selbst habe ich mir dabei zum Glück nicht gespoilt, aber ein ungutes Gefühl hatte ich trotzdem. Ich meine, wenn sich die Köpfe hinter Final Fantasy XIII und Kingdom Hearts zusammensetzen, kann das ja eigentlich nur in einer Katastrophe enden, oder?

Innerlich stellte ich mich bereits darauf ein, dass ich die letzten 10% besser separat von den ersten 90% betrachten sollte, um mir das Spielerlebnis nicht vollends zu verderben. Und dann kam das Ende! Und ich muss leider sagen, dass ich es in Ordnung fand. Es war im Grunde nur die Konsequenz aus den vielen anderen Abweichungen zur Original-Story, die sich durch das Remake gezogen haben. Dass das Ganze eine alternative Zeitlinie zur ursprünglichen Handlung darstellt ist aus meiner Sicht ein spannender Ansatz für ein Remake. Natürlich kann ich das nicht abschließend beurteilen, da die Geschichte ja noch weitergehen wird. Das hier gelegte Fundament finde ich zwar gelungen, ich würde aber auch nicht unbedingt meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sich die Handlung in den nächsten Teilen nicht in völlig abstrusen Nonsens verlieren wird.

Deprimierend schöne Aussicht.

Deprimierend schöne Aussicht.

Wie es nach diesem ersten Teil des Remakes weiter geht, ist für mich an dieser Stelle aber eigentlich nicht so relevant. Aus meiner Sicht ist das Spiel ohnehin mehr ein Final Fantasy VII: Midgar Chronicles - Reimagined gewesen, und hat mir genau das geliefert. Die Kritik enttäuschter Fans kann ich natürlich auch nachvollziehen. Wie in meinen ersten quengeligen Absätzen erkennbar, war auch ich bereit, kein gutes Haar am Final Fantasy VII Remake zu lassen. Aber ich bin froh, dass sich die erwartete Enttäuschung bei mir nicht eingstellt hat, und ich im Gegenteil sehr positiv überrascht davon war, was Square Enix auf ihre alten Tage noch aus dem Hut gezaubert haben.