Octopath Traveler 1/4

Octopath Traveler 1/4

Nach einem begangenen Verbrechen bietet es sich in der Regel an, erst einmal die Identität zu wechseln. So wurde aus 4 Heroes of Light Bravely Default, und aus Bravely Default wurde Octopath Traveler. Wie seine spirituellen Vorgänger ebenfalls als Hommage an die frühen Final Fantasy Spiele angelegt, vor allem optisch an Teil VI, aber im inzwischen berühmten “HD-2D” Look, der gepixelte Sprites mit hübschen dreidimensionalen Dioramen mischt.

Strukturell ist es mit seinen acht separaten Charakterszenarien allerdings viel näher an der SaGa Reihe dran. Denkt ihr manchmal wohlig an die Zeiten zurück, in denen regelmäßig merkwürdige und experimentelle SaGa Spiele veröffentlicht wurden? Genau, ich nämlich auch nicht.

Weltkarte, die verschiedene Kapitel für jeden Charakter anzeigt.

Octopath Traveler dreht sich um acht verschiedene Charaktere.

Das Kampfsystem ist weitestgehend aus Bravely Default übernommen, aber dieses Mal endlich sinnvoll erweitert worden. Statt willkürlich Charakterzüge hin und her zu schieben, lassen sich Gegner durch wiederholtes Ausnutzen ihrer Schwachpunkte brechen, sodass sie mehrere Runden lang hilflos sind. Dadurch ergibt sich für mich erstmals eine nachvollziehbare Strategie, die dieses System ermöglicht. Erst die Schwächen der Feinde triezen, und sobald sie gebrochen sind, mit allen aufgesparten Zügen draufhauen.

Es war dann tatsächlich dieses taktische und spaßige Kampfsystem, das mich nach der Demo zum Kauf der Vollversion verleitet und eine ganze Weile bei der Stange gehalten hat. Wobei mit “einer ganzen Weile” eigentlich “ein Viertel des Spiels” gemeint ist. An der oft bemängelten Gleichförmigkeit der Szenarien und der fehlenden Verbindung zwischen den verschiedenen Charakteren habe ich mich dabei nicht mal groß gestört.

Die Party bekämpft eine Gruppe Vögel in einer mediterranen Umgebung.

Am besten ist das Kampfsystem. Zumindest anfangs.

Doch leider wurde nach dem Beenden des ersten Kapitels aller acht Reisenden, etwa 20 Stunden im Spiel, eine massive Grindwand eingebaut. Vermutlich aus Sorge, ich könnte doch noch mal Spaß an einem von Team Asano produzierten Spiel haben. Plötzlich wurde jeder Zufallskampf so lang und knifflig wie eine Bossbegegnung.

Meine Hauptfigur, die Tänzerin Primrose, lag knapp unter dem empfohlenen Mindestlevel, alle anderen hoffnungslos weiter drunter. Das Spiel ist eigentlich darauf ausgelegt, alle Figuren einzusetzen, da jede für bestimmte Situationen nützlich ist, für manche Szenarien mitkommen muss, und für ein Finale, das ich niemals erleben werde, angemessen trainiert sein muss.

Wirtshausmenü, mit der aktuellen Gruppe zwischen Level 19-26, und den Reservemitgliedern zwischen Level 14 und 20.

Auf der Ersatzbank.

Allerdings kann die Hauptfigur immer nur von drei anderen Partymitgliedern begleitet werden, und wer währenddessen auf der Ersatzbank sitzen bleibt, erhält keinen müden Erfahrungspunkt. Absolut schleierhaft, wie unter den Umständen ohne massives Grinding ein ausgewogenes Gesamtlevel erreicht werden soll.

Angeblich soll Ausrüstung wichtiger sein als das Level. Ich hatte bis dahin leider in der naiven Annahme gespielt, das ein Spiel, das sich um acht Charaktere dreht, ökonomisch wohl schon so balanciert ist, dass alle sich gutes Equipment leisten können. Tatsächlich hätte ich das viel mehr optimieren müssen: Die beste Ausrüstung nur für die aktive Party vorhalten, und zuerst alle NPCs und Schatztruhen filzen, bevor überhaupt daran gedacht werden kann, Geld in den überteuerten Läden auszugeben.

Die Party in der Nähe einer lilafarbenen Schatztruhe, nahe eines bewaldeten Friedhofs.

Eine der begehrten Spezialtruhen, die sich in der Wildnis finden lassen.

Das im Nachgang zu beheben klappt kaum. Selbst nach einer ausgiebigen Diebestour kam keine signifikant bessere Ausrüstung zustande. Mehr davon soll sich noch in Spezialtruhen befinden, die Dieb Therion öffnen kann. Allerdings befinden sich viele davon in der mit kaum schaffbaren Kämpfen gespickten Wildnis. Das gleiche Problem gibt es mit den Schreinen, die ohne irgendeinen Hinweis ab dem zweiten Kapitel auftauchen, und Zugang zu Subklassen gewähren, die das Spiel erheblich vereinfachen sollen.

Also vollkommen egal, ob stupider Levelgrind, Beschaffung von Ausrüstung oder die Suche nach den Job-Schreinen: Nichts ab dem Punkt führt an repetitiven und ewig langen Kämpfen vorbei. Und da kann ich ja gleich wieder mit Bravely Default anfangen. Ich gebe es ungern zu, aber mit Octopath Traveler ist es Team Asano ein drittes Mal gelungen, mich um mein Geld und meine Zeit zu prellen.