Fire Emblem: Awakening

Fire Emblem: Awakening

Bis zum Erscheinen von Fire Emblem: Awakening im Jahr 2013 war Nintendos strategische Rollenspielreihe bei uns weitestgehend unbekannt. In den 90ern blieben die Spiele in Japan, ab der 6. Konsolengeneration verirrten sich einzelne Titel auch zu uns. Erst mit Awakening bekam Fire Emblem eine breitere Anerkennung außerhalb Japans.

Verantwortlich für diesen Erfolg werden oft die ansprechenden Anime-Designs und ein Fokus auf Dating-Mechaniken gemacht. Gerade letztere scheinen ein Dorn in den Augen von Langzeitfans zu sein. So ganz nachvollziehen kann ich das nicht. Wenn sich Soldat*innen schon der harten Realität des Schlachtfelds stellen müssen, sollen sie doch wenigstens ein bisschen Spaß haben, oder? Da empfand ich andere Aspekte als störender, wie zerbrechende Ausrüstung, die fragmentierte Handlung oder der gegen Ende hin unbalancierte Schwierigkeitsgrad.

Chrom und Lissa entdecken die erwachenden Hauptperson

Die hübschen Anime-Charaktere in Aktion. (Bild: Nintendo)

Irgendwie habe ich es geschafft, 20 Spielstunden kaum etwas vom Dating mitzubekommen. Natürlich haben sich die Zuneigungswerte zwischen Charakteren verbessert, wenn sie im Kampf Seite an Seite standen, oder nach einem Plausch außerhalb des Schlachtfelds. Aber der zur Vermählung notwendige S-Rang kam trotzdem nicht zustande. Irgendwann heiratete Hauptheld Chrom eine der Soldatinnen, was ich für ein festgelegtes Handlungselement hielt.

“I was wondering if even soldiers fall in love…”

– Otacon, Metal Gear Solid

Eine Erklärung für meinen Mangel an Romantik ist vermutlich der Verzicht auf Unterstützungen während der Schlachten. Dabei werden zwei Einheiten quasi zu einer kombiniert, die ab da zusammen im gleichen Zug agieren. Da sich mir der strategische Nutzen davon nicht erschlossen hatte, verwendete ich das System so gut wie nie. Doch anscheinend erhöhen Unterstützungen ordentlich die Zuneigungswerte, und sind daher eher als effizientes Flirt-Manöver zu verstehen.

Mehrere Charaktere unterhalten sich auf einer Waldlichtung

Ein Plausch außerhalb des Schlachtfelds. (Bild: Nintendo)

Dass ich mich überhaupt noch einmal mit der Dating-Mechanik auseinandersetzte, ergab sich letzten Sommer. Um die tödliche Hitze nicht noch weiter mit meinem alten HD-Fernseher anzufachen, bin ich eine Weile auf Handhelds ausgewichen. Bei der Gelegenheit habe ich mir nochmal meinen Fire Emblem: Awakening Spielstand vorgenommen, bei dem ich nach 20 Stunden bei einem Boss hing.

Nachdem ich 18 Kapitel lang trotz klassischem Schwierigkeitsgrad mit Permadeath eigentlich ganz gut über die Runden kam, war bei der Schlacht gegen Walhart plötzlich nichts mehr zu machen. Wenn überhaupt schaffte ich die Mission nur unter großen Verlusten, und hätte dann zusehen müssen, den Rest des Spiels nur noch mit einer kleinen Kerngruppe zu schaffen, immer das Risiko vor Augen, mich in eine hoffnungslose Sackgasse zu manövrieren. Das wäre vermutlich der wahrhaftige Weg gewesen: Den brennenden Pfad des Fire Emblems zu beschreiten, um dann entweder glorreich zu siegen oder schmachvoll unterzugehen.

Zwei Krieger kämpfen gegen einen untoten Pegasus-Reiter

Die Feinde lassen wenig Zeit für Beziehungen. (Bild: Nintendo)

Aber ich bin ja kein Hardcore-Stratege, sondern nur ein einfacher JRPGler aus der Vorstadt. Nachdem mir Internet-Guides auch keine erfolgreiche Taktik liefern konnten, blieb eigentlich nur, genreüblich das RPG-Element gegen das Strategie-Element auszuspielen. Sprich, mit genügend Grinding hätte ich Walhart und seine Spießgesell*innen in wenigen Zügen wegbumsen können. Leider war stupides Leveln noch nie mein Ding, weshalb Fire Emblem: Awakening seitdem auf Halde lag.

Als Motivation, trotzdem weiterzumachen, überlegte ich mir, mich endlich richtig mit der Dating-Mechanik auseinanderzusetzen. Nachdem ich mich informiert hatte, wie die eigentlich funktioniert, konnte ich eine Handvoll möglicher Paare unter meinen Truppen ausmachen. Ein bisschen traurig war es schon zu sehen, dass einige Mitstreiter*innen gar nicht mehr verkuppelt werden konnten, da ich die passenden Gegenstücke in vorherigen Schlachten verloren hatte. Aber so ist das halt im Krieg, was soll ich machen?

Schlachtszene, in der Figuren auf einem Raster vorrücken

Auf dem Schlachtfeld ist Taktik gefragt - oder die richtige Dosis Grind. (Bild: Nintendo)

Die auserkorenen Pärchen schickte ich dann auf romantische Dates, und damit meine ich, sie in recycelten Grind-Missionen Hand in Hand Untote niederzustrecken zu lassen. Nach ein paar Schlachten eskalierte der übliche Smalltalk in der Kaserne plötzlich zu einem Heiratsantrag. Die aus der Ehe entstehenden Kinder können anschließend dank dem Zeitreisekniffs der Handlung als Erwachsene in einer neuen Nebenmission rekrutiert werden.

“Do you think love can bloom even on a battlefield?”

– Otacon, Metal Gear Solid

Das gesamte Prozedere wiederholte ich anschließend noch ein paar Mal. Zwischendrin hielt ich inne: Was tat ich hier eigentlich? Verwickelte ich meine Truppen gerade wirklich in unnötige Kämpfe, um Einheiten zu verkuppeln, um anschließend ihre Kinder zu rekrutieren, damit sie ebenfalls ihr Leben auf dem Schlachtfeld riskieren würden? Verwandelte ich mich langsam, aber sicher, in einen Metal Gear Solid Bösewicht? Krieg ändert sich wohl wirklich nie.

Valentinskarte mit der Kriegerin Sumia und der Aufschrift 'The most romantic place is the battlefield'

Der romantischste Ort ist das Schlachtfeld. (Bild: Nintendo 3DS)

Die Mission gegen Walhart war dann lächerlich einfach. Das lag natürlich weniger an den paar zusätzlichen Kämpfenden in meinen Reihen, sondern vielmehr daran, dass meine Truppe nach den ganzen abgefarmten Nebenmissionen überlevelt war. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich auf der finalen Strecke dann aus Ungeduld doch nicht mehr so genau darauf geachtet habe, dass alle Charaktere es durch die restlichen Schlachten schafften.

Am Ende brachte ich also Familien auf dem Schlachtfeld zusammen, nur um trockenen Auges zuzusehen, wie Eltern und Kinder im Kampf fielen. Nachdem ich auf diese skrupellose Art den Dämonendrachen Grima zu Fall gebracht hatte, musste ich mich daher fragen: Wer war in diesem Spiel das wahre Monster: Grima, oder ich? Aber was tut man nicht alles, um ein Spiel als durchgespielt abzuhaken.

“I think at any time, any place … people can fall in love with each other.”

– Snake, Metal Gear Solid