Castlevania: Rondo of Blood

Castlevania: Rondo of Blood

Das 1993 nur in Japan für die PC Engine veröffentlichte Rondo of Blood galt lange Zeit als der Unheilige Gral der Castlevania-Reihe. Im Original nur schwer zu bekommen, und nicht leicht zu emulieren. Die Situation besserte sich erst 2008, als das Spiel als freischaltbarer Bonus des Remakes The Dracula X Chronicles auch in Europa erschienen ist. 2010 folgte ein Virtual Console Release des japanischen Originals für die Wii, das leider nicht mehr erhältlich ist. PlayStation 4 und 5 Besitzer*innen freuen sich zudem über die Sammlung Castlevania Requiem, die neben Symphony of the Night auch Rondo of Blood enthält.

Ist das Spiel denn auch jetzt, wo es alle und deren dreiköpfiger Hund haben kann, immer noch geil, oder speist sich sein legendärer Ruf allein auf Import-Snobs von damals? Dank den medialen Kapazitäten der PC Engine ist Rondo of Blood schon mal das technisch beeindruckendste klassische Castlevania. Bereits das Intro begrüßt uns in detaillierten, leicht animierten Szenen, selbst im japanischen Original in deutscher Sprachausgabe erzählt, und einem Richter Belmont, der in Superheldenmanier als Protagonist vorgestellt wird. Dem Detailreichtum und der Fülle an Animationen kann die Spielgrafik der anderen Castlevanias auf den damals gängigen Konsolen nicht das Weihwasser reichen. Dazu ballert ein kristallklarer Soundtrack mit CD-Unterstützung.

Richter holt mit der Peitsche zum Schlag gegen eine Fledermaus aus. Hinter ihm die Kulisse einer brennenden Stadt.

Auch wenn alles in Flammen steht bewahrt Richter einen kühlen Kopf.

Während die direkte Fortsetzung Symphony of the Night das Metroidvania-Genre erwecken sollte, das uns noch bis heute verfolgt, ist Rondo of Blood einer der letzten knackigen, weitestgehend linearen 2D-Action-Plattformer. Allerdings bietet das Spiel trotzdem zahlreiche Abzweigungen und simple Rätsel, die wiederum zur Befreiung von gefangenen Jungfern, komplett alternativen Stages oder Bosskämpfen führen. Rondo of Blood bietet also auch abseits des Hauptpfades allerhand zu erkunden, und stellt aus meiner Sicht einen guten Mittelweg zwischen klassischem Castlevania und Metroidvania-Formel.

Das 1993 nur in Japan für die PC Engine veröffentlichte Rondo of Blood galt lange Zeit als der Unheilige Gral der Castlevania-Reihe.

Das Spiel ist gewohnt schwer, einen Ausgleich in Form von level- oder aufrüstbaren Charakteren gibt es hier noch nicht. Dafür wird eine Art einfacher Schwierigkeitsgrad angeboten, der ausgerechnet in Form des 12-jährigen Mädchens Maria kommt, das nach ihrer Rettung als alternative Spielfigur zur Verfügung steht und das Vorankommen ungemein erleichtert. Dass der Easy Mode in Rondo of Blood die Gestalt einer weiblichen Nebenfigur hat, wirkt wie eine sexistische Design-Entscheidung.

Richter trifft in einem Burgraum auf eine finstere Gestalt, die Maria in einer Lichtsäule gefangen hält.

Richter rettet Maria aus den Fängen des Bösen.

Tatsächlich ist Richter als Identifikationsfigur für ein als überwiegend männlich wahrgenommenes Publikum angelegt gewesen. Maria ist hingegen nur die Rolle als drolliger Sidekick bestimmt. Eine Denke, die sich auch zehn Jahre später bei den Verantwortlichen gehalten hat, wie aus einem EGM-Interview von 2003 mit Entwickler Koji Igarashi hervorgeht:

As a gamer, I think that you become one with the character, and since Castlevania has a lot of male players, it’s natural to have male characters. In Rondo of Blood, Maria was a silly, cute aside, but you still had Richter to make it serious.

– Koji Igarashi

Erst in späteren Spielen von Igarashi ließ er Frauen die Hauptrolle übernehmen.

Maria besiegt einen Gargoyle mit einer entsandten Taube. Der Kampf findet hoch oben auf einer mit gothischen Ornamenten und Statuen verzierten Brücke statt.

Gegen Marias Tauben können die meisten Feinde wenig ausrichten.

Interessanterweise wird das Spiel als Maria eigentlich nur deshalb leichter, weil sie bessere Fähigkeiten als der schwerfällige Richter hat. Sie ist schnell, verfügt über einen Doppelsprung und kann mit ihren Tauben Gegner leichter treffen. Auch wenn sie weniger Angriffe einstecken kann ist sie aufgrund ihrer Talente im Vergleich die durchschlagskräftigere Kämpferin.

Dass der Easy Mode in Rondo of Blood die Gestalt einer weiblichen Nebenfigur hat, wirkt wie eine sexistische Design-Entscheidung.

Auch die Art, wie Maria in die Kampagne integriert ist, lässt sie mehr als ein wandelndes Klischee erscheinen. Ist sie zunächst eine von vielen Maiden in Not, nimmt sie nach ihrer Rettung das Heft selbst in die Hand. In ihren Zwischensequenzen tritt Maria als selbstbestimmte Heldin auf. Eine 12-jährige Vampirjägerin, die Richters Freundin schon mal nach Hause schickt, weil sie noch etwas zu erledigen hat (und mit “etwas” meint sie “den Horden des Bösen gehörig den Arsch aufreißen”).

Maria stellt sich als 'Maria Renard. Vampirjägerin.' vor und hält den Daumen noch.

Mit diesem Mädchen solltet ihr euch besser nicht anlegen!

Sie ist jene Art von Person, die auf dem Weg zum Brötchen holen noch schnell ein Dutzend Untote erledigt. Während ich die Intention des Entwicklungsteams für fragwürdig halte, haben sie mit Maria aus meiner Sicht – ob beabsichtigt oder nicht – einen tollen Charakter erschaffen, den ich mit Freude den größten Teil des Spiels verwendet habe. Und wenn ich dadurch bei irgendwelchen G4m3rn™ an Ansehen verlieren sollte, ist mir das herzlich egal.

In ihren Zwischensequenzen tritt Maria als selbstbestimmte Heldin auf.

Meine Kritik an den konservativen Strukturen in den Köpfen des Entwicklungsteams lässt sich auch auf den Spielablauf übertragen: Rondo of Blood ist schon damals nicht mehr das einzige Castlevania gewesen, in dem sich Vampirjäger durchs transsylvanische Umland geschlagen und Draculas Schloss gestürmt haben. Das Spiel versucht kaum, diese altbekannte Struktur aufzubrechen, wie das etwa Castlevania II für den Game Boy mit seinen verschiedenen Schlössern getan hat, oder das später erschienene Castlevania Bloodlines mit seiner Europa-Reise.

Richter bekämpft Zombies und Fledermäuse im Foyer von Draculas Schloss.

Das Foyer von Draculas Schloss wird in fast jedem Castlevania besucht.

Doch selbst wenn hier “nur” erneut die typische klassische Castlevania-Formel aufgelegt wurde: So schön atmosphärisch und stylisch wie in Rondo of Blood wurde sie aus meiner Sicht in keinem anderen Titel umgesetzt.